Leitfaden: Umgang mit Populismus und Extremismus

04.12.2019

Die Freiheit der Kunst ist die Grundlage für eine vielfältige und offene Kultur- und Kunstlandschaft und macht eine Positionierung notwendig.

Polarisierung der politischen Meinungen und populistischer Aussagen im öffentlichen Raum

Die gesellschaftliche Debatte spitzt sich immer weiter zu. Konträre Meinungen werden in einer Schärfe vertreten, die vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Populisten, populistische Parteien oder extremistische Vereinigungen jeglicher Couleur setzen oft auf Polemik und auf Meinungen, die auf verzerrten Darstellungen oder sogar auf frei erfundenen Behauptungen beruhen statt auf Fakten.

Mit ihren dramatisierenden Zuspitzungen und Vereinfachungen sind Populisten inzwischen für viele Menschen anziehender als besonnene Politikerinnen und Politiker. Damit werden Populisten immer einflussreicher. Das zeigen die zurückliegenden Wahlergebnisse zu den Landtagen und zum Bundestag.

Kulturelle Vielfalt in Gefahr

Viele Künstlerinnen und Künstler reflektieren in ihrer Arbeit aktuelle gesellschaftliche Fragen und beziehen dabei auch unterschiedliche Positionen. Gemäß der Allgemeinen Erklärung zur kulturellen Vielfalt der Vereinten Nationen ist Kulturelle Vielfalt eine Quelle des Austauschs, der Erneuerung und Kreativität. Dieses Selbstverständnis kritisieren viele Populisten. Sie setzen sich für die von ihnen so genannte Reinhaltung der deutschen Kultur und Identität ein. Dabei ignorieren sie, dass Kultur und Identität historisch immer erst aus der Verschmelzung unterschiedlichster Einflüsse entstanden sind. Seit dem vergangenen Jahr hat sich gezeigt, wie umfassend Kulturelle Vielfalt inzwischen hinterfragt wird. Theater werden mit Strafanzeigen überzogen, Veranstaltungen gestört oder aus Furcht vor Auseinandersetzungen abgesagt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedroht. Im parlamentarischen Raum irritieren Große oder Kleine Anfragen.

Der Verunsicherung im Orchester- und Theaterbereich entgegen treten

Über Stadt- und Gemeinderäte oder andere politische Interessenvertretungen können populistische Politikerinnen und Politiker direkt Einfluss nehmen. Medienwirksam wird in einzelnen Bundesländern die öffentliche Finanzierung von Theatern und damit auch von Orchestern in Frage gestellt. In Baden-Württemberg zum Beispiel erfragten Abgeordnete die Staatsangehörigkeit der Künstlerinnen und Künstler an den staatlichen Bühnen beim zuständigen Ministerium.

Auch wird in Landesparlamenten die Abschaffung des Rundfunkbeitrags und damit de facto die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert. Ganz abgesehen vom damit verbundenen Ende einer freien und marktunabhängigen journalistischen Berichterstattung, würde das zwangsläufig auch das Aus für alle Rundfunkorchester, -chöre und –Bigbands bedeuten.

Noch stehen Orchester, Chöre sowie freischaffende Musikerinnen und Musiker weniger im Fokus als das Sprechtheater. Doch ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, wie schnell eine vermeintlich stabile Situation kippen kann. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, dass der Einfluss von Populisten und Extremisten insgesamt wieder schwindet. Die Freiheit der Kunst ist die Grundlage für eine vielfältige und offene Kultur- und Kunstlandschaft und macht eine Positionierung notwendig.

Pluralistisches Selbstverständnis der DOV

Orchester und Rundfunkensembles sind keine politikfreien Räume. Unter den Mitgliedern der DOV sind alle politischen Positionen vertreten. Der Verband ist ein Spiegel der Gesellschaft. Laut Satzung ist die DOV demokratisch verfasst, basisorientiert und parteipolitisch neutral. Diese Neutralität bedeutet aber nicht, keine Meinung zu haben. Die DOV steht für die Grundwerte der Toleranz, des gegenseitigen Respekts und der Kunstfreiheit. In Berufsorchestern und Rundfunkchören musizieren Menschen aus teilweise über 20 Nationen. Aus dieser gelebten Vielfalt ergibt sich eine besondere Verpflichtung zum Schutz dieser Werte. Auch, weil sie Modellcharakter für demokratisches und kulturell vielfältiges Zusammenleben in der gesamten Gesellschaft haben.

Konkrete Empfehlungen

1. Reden, reden, reden
Lassen Sie rassistische, menschenverachtende oder falsche Behauptungen in Ihrem Umfeld nicht einfach stehen. Machen Sie deutlich, dass Sie anderer Meinung sind.

2. Phrasen nicht wiederholen
Bevor Sie Ihren Standpunkt äußern, formulieren Sie noch einmal mit Ihren eigenen Worten die Behauptung Ihres Gegenübers. Wiederholen Sie dabei nicht einfach populistische Formulierungen, damit sie sich nicht in den Köpfen festsetzen. Oft werden verkürzte oder falsche Aussagen schon durch Umformulierungen offensichtlich. Dann ist auch die weitere Argumentation einfacher und besser nachvollziehbar.

3. Verdrehte Fakten auflösen
Eine besonders große Herausforderung: Stellen Sie glasklar richtig und achten Sie auf Präzision. Argumentieren Sie mit belastbaren Fakten und Zahlen.

4. Auf Augenhöhe widersprechen
Würdigen Sie dabei Ihr Gegenüber nicht herab. Jede Meinung verdient Respekt, so sonderbar oder widersinnig sie einem selbst erscheinen mag.

5. Aggressives Verhalten entschärfen
Auch wenn die Diskussion hitzig oder der Ton laut wird – reden Sie bewusst leise und ruhig. Man hört Ihnen dann aufmerksamer zu als beim impulsiven Mitmischen. Gelassenheit und Zugewandtheit bringen Sympathie und öffnen die Ohren anderer für Ihre Argumente. Oft hilft auch Humor weiter.

6. Manchmal hilft nur Ausklinken
Fehlen Ihnen einmal die nötigen Informationen oder einfach nur die Worte, können Sie eine Diskussion auf später verschieben. So gewinnen Sie Zeit für die Vorbereitung. Wenn Ihnen klar wird, dass sich Ihr Gegenüber auf gar keine konstruktive Auseinandersetzung einlässt, können Sie Ihre Kraft und Zeit für andere Dinge nutzen.

7. Solidarisieren
Werden Kolleginnen oder Kollegen wegen ihrer Herkunft, Weltanschauung, Religion oder Meinung angegriffen, stärken Sie ihnen den Rücken. Alle Mitglieder eines Klangkörpers haben das gleiche Recht auf Achtung und Schutz ihrer Persönlichkeit. Hier gilt es, den Anfängen zu wehren.

Beschluss des DOV-Gesamtvorstands
Berlin, 03.12.2019